Jede Menge Geld bringt nichts wenn man ein Arschloch zum Verlobten hat. Gut, dass Rose auf einer Reise den genauso attraktiven wie sympathischen Jack trifft. Schlecht ist halt nur die Locationwahl.
Titanic (1997) – Die Story
Drehbuch: James Cameron
Die über 100 Jahre alte Rose (Gloria Stuart) wird an Bord eines Forschungsschiffes eingeladen, welches das Wrack der Titanic nach einem teuren Diamantcollier durchsucht. Rose war damals zusammen mit dem Collier an Bord und erzählt nun den Schatzsuchern ihre Geschichte der dramatischen Ereignisse rund um die fatale Fahrt des legendären Unglücksdampfer. Und wie es sich für Hollywood gehört, gibt es natürlich auch eine große Portion Romantik obendrauf. Denn die junge Rose (Kate Winselt) verliebt sich an Bord in den deutlich finanzschwächeren Dritte-Klasse-Passagier Jack. Was ihr genauso skrupelloser wie reicher Verlobter mal so gar nicht gerne sieht. Bald sehen aber alle ihre Felle davon schwimmen…
Die Einführung von Rose
Der Film beginnt mit der Suche nach dem Diamantcollier. Schatzsucher Brock Lovett läßt dafür einen Safe aus einer Millionärssuite der versunkenen Titanic heben. Das Collier findet er darin allerdings lediglich in gezeichneter Form – um den Hals einer attraktiven Frau auf einer alten Aktzeichnung. Dieses Porträt wird in einem Fernsehbeitrag gezeigt, was dann auch zum ersten Auftritt von Rose führt. Naja, eigentlich sind es zwei erste Auftritte.
Als erstes treffen wir Rose als 100jährige alte Frau, die im Fernsehen sich selbst auf der Zeichnung erkennt und daraufhin Brock anruft. Dieser lädt sie auf das Forschungsschiff ein. Die Teamkameraden von Brock sind allerdings skeptisch und halten die Dame für eine Lügnerin. Rose dagegen macht es sich erst mal auf dem Schiff gemütlich. Als sie die Zeichnung erblickt hat sie einen kurzen Flashback und muss an Jack denken, der damals das Porträt angefertigt hat. Neben der Zeichnung schaut sich Rose auch noch weitere Gegenstände an, die aus ihrem Apartment gerettet wurden. Schließlich beginnt sie unter Tränen ihre Geschichte vom Untergang der Titanic zu erzählen.
Ausschnitt: Rose erblickt zum ersten Mal die Titanic
Dafür reisen wir nun zurück nach Southampton ins Jahr 1912. Die Titanic wird gerade im Hafen beladen und es folgt sozusagen der zweite erste Auftritt von Rose – diesmal als junge Dame. Hupend bahnt sich eine kleine Wagenkolonne den Weg durch die Masse. Die Tür von einem der sehr teuren Wagen wird von dessen Fahrer geöffnet und die elegant angezogene Rose steigt aus. Überwältigt ist sie vom Anblick der Titanic aber nicht – sehr zum Leidwesen ihres Verlobten an ihrer Seite.
Der Verlobte äußert, gegenüber der Mutter von Rose, dass deren Tochter nun wirklich nicht leicht zu beeindrucken sei. Die Gruppe betritt dann das Schiff, wobei die Miene von Rose dabei sehr verschlossen wirkt. Die Stimme der alten Rose setzt nun als Erzählerin ein und teilt uns mit, dass dieses Schiff sich für sie damals wie ein Sklavenschiff anfühlte. Und das sie vielleicht nach außen wohlerzogen wirkte, aber innerlich laut schrie, als sie an Bord ging.
Die Analyse
Der MacGuffin ist in der Filmsprache ein geflügeltes Wort für Gegenstände oder Personen, welche die Handlung vorantreiben, oder gar erst auslösen, denen aber ansonsten eigentlich nicht wirklich eine größere Bedeutung zukommt. Das Diamantcollier „Herz des Ozeans“ übernimmt in „Titanic“ genau diese Rolle. Ein notwendiges Konstrukt um die Handlung in Gang zu setzen. Und es ermöglicht Regisseur James Cameron auch gleichzeitig Aufnahmen von seiner Suche nach der Titanic, einem Herzensprojekt von ihm, mit in den Film einzubauen.
Die Konsequenz davon? Der Film setzt über 80 Jahre nach dem eigentlichen Untergang ein. Um nun aber einen emotionalen Übergang zur späteren Hauptgeschichte zu erreichen, ist ein lebloser Gegenstand doch ein bisschen wenig. Also präsentiert uns Cameron schon zu Beginn eine unserer beiden Hauptfiguren: die über 100 Jahre alte Rose. Das wiederum bedeutet, wir bekommen sozusagen eine Art doppelte Einführung dieser Figur. Einmal Rose als alte Dame, Jahrzehnte nach der Tragödie, und dann anschließend als „junges Ding“ auf dem Weg zur Titanic. Für die Haupthandlung sind die Charakterzüge von Roses jüngerem „Ich“ natürlich entscheidender. Aber bereits zuvor spiegeln sich einige davon in dem Porträt ihres alten „Ich“ wieder.
Die Zeit vergeht, die Klasse bleibt
Den ersten optischen Eindruck bekommen wir allerdings von der jungen Rose. Jedoch nur auf einer Zeichnung, die unser Schatzsucher in dem Safe an Bord ihrer Suite entdeckt hat. Während Lovett nur Augen für das Collier hat, sieht der Zuschauer mehr. Nämlich eine attraktive und elegante junge Frau. Ein netter kleiner Teaser, der uns zumindest schon einen kleinen Eindruck von der jungen Rose vermittelt. Ja, die Frau scheint auf jeden Fall Klasse zu haben. Die Tatsache, dass die Zeichnung in einer ehemals teuren Suite gefunden wurde, unterstreicht das nur noch. Und natürlich der große Klunker um ihren Hals.
Auf den ersten Blick könnte der Kontrast dann nicht größer sein, als wir das erste Mal auf unsere „alte Rose“ treffen. Ihre jugendliche Schönheit ist schon lange verflogen. Trotzdem versucht der Film hier einige Anknüpfungspunkte zu deren jungen „Version“ einzuflechten. So hat sie ihre Liebe für schöne Dinge noch ins hohe Alter gerettet. Dazu muss man nur einen Blick auf die Einrichtung ihrer Wohnung werfen. Es kommt dann auch nicht von ungefähr, dass die erste Szene der alten Rose diese beim Töpfern einer Vase zeigt.
Ihre Reisegewohnheiten scheinen sich in den letzten 80 Jahren übrigens auch nicht verändert zu haben. Ähnlich wie später die junge Rose hat sie bei ihrer Ankunft auf dem Forschungsschiff gleich ein ganzes dutzend Koffer im Schlepptau. Die alle übrigens so aussehen, als hätte sie diese damals schon auf der Titanic genutzt. Und wenn Lovett Rose später geborgene alte Gegenstände aus ihrer Suite zeigt, dann sind das natürlich Spiegel und Haarklammern. Schönheit bedeutet(e) Rose eben einiges.
Aus alt mach jung
Und dann bringt Rose noch einen Haufen alter Fotos mit auf das Forschungsschiff. Die auch bereits schon in ihrer Wohnung zu sehen waren. Unsere Figur schwelgt gerne in der Vergangenheit. Ein kleiner Trick, mit dem Roses bedeutende Vergangenheit schon einmal angedeutet wird. Aber was ist im Leben von Rose eigentlich nach dem Untergang passiert? Eine Lücke, die der Film mit Hilfe eines Kollegen von Lovett füllt. Der rattert einfach ein paar Fakten zu unserer Rose herunter. Und was diese so in den letzten 80 Jahren getrieben hat. Schauspielerin, Heirat, Kinder, Tod des Mannes und nun friedlich den Lebensabend verbringend – knapper geht es kaum. Aber eben doch wichtig, da diese Lücke für den Zuschauer geschlossen werden muss. Allerdings nur so grob wie nötig, schließlich liegt der Fokus ja woanders. Und zwar auf unserer jungen Rose.
Zu der bekommen wir dann auch schnell einen weiteren kleinen Teaser serviert. Beim Anblick ihrer Zeichnung muss die alte Rose an deren Anfertigung auf dem Schiff denken – und wird emotional. Dieser Moment verbindet nun sozusagen geschickt die alte und die neue Rose. Die Transformation wird vorbereitet. Und man macht uns gleichzeitig neugierig, da hier offensichtlich eine für die Figur berührende Erfahrung dahintersteckt. Der drohende Konflikt der Liebesgeschichte wird ebenfalls vorbereitet. Lovett weist nämlich darauf hin, dass die junge Rose ja damals einen Verlobten aus reichem Hause hatte. Damit wäre sozusagen die Basis gelegt und wir haben alle notwendigen Infos, um nun endlich in die Haupthandlung eintauchen zu können.
Mit Überheblichkeit in den Untergang
Die Zeitreise beginnt und mit ihr kommt der erste Auftritt unserer jungen Rose. Und was für einer. Der Fahrer ihres teuren Wagens öffnet die Wagentür, reicht ihr die Hand und heraus steigt, mit prachtvollem Hut, unsere gutaussehende Protagonistin. Die in den nächsten Minuten erst einmal als durchaus verwöhnte und überhebliche junge Dame portraitiert wird. So wird von ihr gleich mal das teuerste Schiff aller Zeiten gedisst. Rose versteht nicht, warum denn jetzt alle so ein Aufhebens machen, so riesig sei das Ding ja gar nicht.
Ja, die Frau läßt sich wohl nicht so einfach zufriedenstellen. Damit das auch der Zuschauer wirklich merkt, wird diese Charaktereigenschaft von ihrem Gatten gleich doppelt bestätigt. Rose beschreibt er ziemlich offen als jemanden, der oft über Dinge spottet. Und ihrer Mutter gegenüber merkt er an, dass Rose nur schwer zu beeindrucken ist. Womit dann auch schnell die Assoziation „verwöhne Diva“ sich beim Publikum breit macht. Was sicher nicht dadurch abgemildert wird, dass der Tross dutzende Koffer im Schlepptau hat und sich Rose ihren Mantel von einer Bediensteten hinterhertragen läßt.
Der Lover aus der dritten Klasse
Aber der Eindruck des verwöhnten Mädchens wird auch noch durch ein weiteres wichtiges Element verstärkt: den Kontrast zu den Dritte-Klasse-Passagieren. Ein kleines Mädchen in ärmlicher Kleidung schaut staunend auf die luxuriöse Wagenkolonne von Rose. Das gleiche Mädchen ist übrigens vom Schiff, im Gegensatz zu Rose, richtig beeindruckt. So werden gleich schon einmal Fronten gesteckt und gute alte Klischees bestätigt. Arrogante Reiche auf der einen, die geerdeten Ärmeren auf der anderen Seite. Am deutlichsten wird dies, als sich unser elegant gekleideter Tross über eine Rampe auf das Schiff begibt. Die Kamera schwenkt hier weiter auf die am Boden gebliebenen Passagiere der dritten Klasse, die eine erniedrigende Gesundheitsinspektion über sich ergehen lassen müssen.
Das alles ist natürlich eine Vorbereitung auf den baldigen Auftritt von Jack: dem Lover aus der dritten Klasse. Die Filmemacher etablieren so schon einmal gleich die Unterschiede zwischen den Schichten. Und wo hier von Seiten der Macher die Sympathien liegen wird auch deutlich. Aber ist das nicht ein Problem? Sollte man nicht doch irgendwie Etwas für die Hauptfigur fühlen? Genau deswegen setzt kurz darauf die Stimme der alten Rose ein. Sie verrät uns ein kleines Geheimnis über die junge Rose. Sie sei ja nur nach außen so „wohlerzogen“ gewesen, innerlich hätte sie gelitten. Die Titanic hätte sich für sie wie ein Sklavenschiff angefühlt, dass sie in Ketten nach Amerika bringt. Da in diesem Moment Roses Verlobter sich bei ihr eingehängt hat, wird auch schnell klar, was mit diesen Ketten gemeint ist.
Es wird also deutlich gemacht: dieses Mädchen verdient doch unsere Sympathie. Womit auch der Grundstein für den zentralen Konflikt und die Wandlung der Hauptfigur gelegt wäre. Ja, wir haben es hier mit einigen Klischees zu tun und manches wird deutlicher ausgesprochen, als man es eigentlich müsste. Trotzdem ist es ganz spannend zu sehen, an wie vielen kleinen Stellschrauben bei der Einführung von Rose gedreht wird, damit die Figur beim Publikum funktioniert.