Welches Mädchen wünscht sich nicht einmal Prinzessin zu sein. Kann einem als Dauerjob aber auch gehörig auf die Nerven gehen. Trinkt und rülpst sich den Frust von der Seele: Prinzessin Bean.
Disenchantment (seit 2018) – Die Story
Drehbuch Episode 1: Matt Groening
Die genauso widerspenstige wie trinkfeste Prinzessin Bean kommt mit dem spaßbefreiten Leben am Königshaus mal so gar nicht zurecht. Sie flüchtet sich aber nicht nur gerne regelmäßig in Alkohol, sondern schließlich auch vor der eigenen Hochzeit, die ihr nicht gerade rücksichtsvoller Vater für sie arrangiert hat. Zusammen mit dem Elfen Elfo und dem kettenrauchenden Dämonen Luci macht Bean sich auf, um das wahre Leben, viele Abenteuer und manch heruntergekommene Kneipe zu entdecken.
Die Einführung von Prinzessin Bean
Eine Dienerin betritt das luxuriöse Schlafgemach unserer Prinzessin. Unter der Decke verbirgt sich aber nicht etwa Bean, sondern der für ihre Sicherheit zuständige Ritter. Wohlgemerkt gefesselt und geknebelt. Bean sitzt derweil in einer zwielichtigen Kneipe und geht einer noch zwielichtigeren Beschäftigung nach: dem Glücksspiel. Auf kreative (wenn auch nicht gerade ehrliche) Art und Weise erleichtert sie beim Kartenspielen ihren Gegner um einen großen Batzen Geld. Was der aber nicht auf sich sitzen lassen will. Jawohl, Zeit für eine zünftige Kneipenschlägerei.
Bean schlägt sich, im wahrsten Sinne des Wortes, aber wacker und kann unbehelligt entkommen. Vor der Tür wird sie aber direkt von dem Berater des Königs abgepasst. Die widerspenstige Dame wird an die Haltestangen einer Sänfte gefesselt und hängend durch die Stadt zurück ins traute Heim transportiert. Auf dem Weg dorthin wird sie von vielen Bewohnern auf ihre anstehende Hochzeit angesprochen. Nicht gerade ihr Lieblingsthema – verliebt sieht definitiv anders aus. Oder um es mal in Beans Worten auszudrücken: „I am actually hoping for death“.
Die Analyse
Matt Groening wurde mit den Simpsons zur Legende. Nach Futurama war dann aber erst einmal Funkstille, aber jetzt meldet er sich mit seiner neuen Netflix-Serie „Disenchantment“ zurück. So ganz rund ist der Start aber nicht geworden. Das liegt auch daran, dass viele Figuren wie ein Mix aus Charakteren der beiden Vorgängerserien wirken – allerdings nur halb so erfrischend.
Trotzdem lohnt es sich zumindest einen kleinen Blick auf die Einführung der Hauptfigur zu werfen: Prinzessin Bean. Im Comedy-Genre, noch dazu wenn Episoden gerade einmal eine halbe Stunde dauern, macht es ja durchaus Sinn möglichst schnell seine Figuren zu etablieren. Und zu leicht wird dann oft in die Klischeekiste gegriffen. Passiert das dem Meister hier auch?
Die Antwort auf die Frage ist das gute alte „Jein“. Auf jeden Fall geht die Etablierung der wichtigsten Grundcharakterzüge ziemlich schnell vonstatten. Die Szene mit dem Dienstmädchen und dem gefesselten Wachmann zu Beginn läßt nämlich schon einige Rückschlüsse auf unsere Prinzessin zu. Offensichtlich hat sie ein Problem mit Autoritäten, ist clever genug um einen viel stärkeren Wachmann zu überwältigen und hält nicht viel von der königlichen Etikette.
Ein widerspenstiges Mädchen
Nicht nur das Szenario an sich sondern auch die Reaktionen der Nebenfiguren verraten uns hier aber noch mehr über Bean. Nicht schon wieder stöhnt so die Dienerin (wir haben es hier also tatsächlich mit einem dauerhaften „Problemfall“ zu tun) und unser Ritter/Wachmann würde bevorzugen einem Kreuzzug beizuwohnen, als noch mal diese Frau bewachen zu müssen. Womit dann auch einer der entscheidenden Charakterzüge schon einmal etabliert ist: das ist ein ziemlich widerspenstiges Mädchen.
Auf diese Szene folgt dann direkt der Cut auf unsere Prinzessin. Und ein Bild, das eigentlich kein Klischee ist aber irgendwie dann doch. Wir sehen unsere Prinzessin mit Bierkrug in einer verrucht wirkenden Kneipe dem Glücksspiel frönend. Nicht das typische Bild einer Prinzessin, aber eben auch wieder so extrem gegenteilig, dass man hier jetzt auch nicht gerade von einer subtilen Charaktereinführung sprechen kann. Da macht es sich Groening schon sehr einfach. Aber es ist eben auch effizient. In Kombination mit der Szene davor reicht schon alleine diese eine Aufnahme von Bean nämlich aus, damit wir schon jetzt einen guten ersten Eindruck von dieser Frau gewonnen haben.
Was darauf folgt ist in vielerlei Hinsicht nur noch eine Verstärkung diesen ersten Eindrucks – wenn auch hin und wieder durchaus mit ein paar subtileren Mitteln. Es werden dabei vor allem drei Aspekte der Figur noch weiter herausgearbeitet.
Ein so gar nicht königliches Leben
Erstens wäre da ihr gar nicht so „königliches“ Auftreten. Bean gibt sich mit dem einfach Volk ab und liebt es zu saufen, rülpsen und sich zu prügeln. Etikette ist ein Fremdword für sie. Hervorgehoben wird ihre Abscheu für das betuchte Leben ihrer Familie im Drehbuch auch noch durch ein paar weitere nette Details. So setzt Bean ohne zu zögern ihre Krone als Wetteinsatz ein – ein deutliches Zeichen, wie wichtig ihr das Ding ist. Auch weigert sie sich in die königliche Sänfte einzusteigen. Dass sie in der Konsequenz gefesselt durch die Stadt geschleppt wird ist ihr in keinster Weise peinlich. Stattdessen erzählt sie allen, wie nervig sie diese königliche Hochzeit findet.
Die Episode mit der Sänfte verdeutlicht dann auch noch ihre zweite markante Eigenschaft. Diese Frau läßt sich nicht so einfach etwas sagen. Selbst nicht vom Berater des Königs – vor Autoritäten kuscht sie nicht. Voll auf Konfrontation geht sie aber auch bei ihrem Gegner am Glücksspieltisch – zurückstecken gibt es nicht. Es ist ganz bezeichnend, dass ihr erstes gesprochene Wort „Call“ ist, sie also die Karten des Gegners sehen will und nicht einfach aufgibt sondern fordert. Ein ganz entscheidender Konflikt mit einer Autorität wird dann übrigens auch noch angeteasert. „Quit judging me dad“ rutscht ihr heraus als sie an der Statue ihres Vaters vorbeikommt. Wie sie da gefesselt auf die scheinbar übermächtige Statue ihres Vaters blickt, ist dann auch zugegebenermaßen ein sehr schönes Bild für diese Figur, ihren Charakter und die daraus resultierenden Probleme.
Und als letztes wäre da noch ihre Bauernschläue. Das beginnt mit ihrer cleveren Begründung, warum sie das bessere Blatt als ihr Gegner hat und setzt sich dann nahtlos in der Kneipenschlägerei fort. Hier entkommt sie gleich zweimal durch reaktionsschnelles Nachdenken und clevere Lösungen für jeweils scheinbar ausweglose Situation. Fehlende Muskelkraft wird durch Gehirnschmalz ausgeglichen.
Alle drei Punkte kann man sich aber tatsächlich schon zu großen Teilen aus der allerersten Szene mit dem Dienstmädchen herleiten. Was dann auch ein bisschen typisch für viele Comedy-Serien ist. Ich definiere bei der Einführung der Figur kurz ein paar markante Charaktereigenschaften und hämmere die dann mit Elan dem Zuschauer immer wieder ein. So richtig brillant ist die Einführung von Bean dann leider eben nicht geworden, aber zumindest kann der ein oder andere kreative Einfall das noch etwas auffangen. Vielleicht sind die Ansprüche an Groening auch einfach zu utopisch groß – auch die Simpsons sind in ihrer ersten Folge ja nicht zur Höchstform aufgelaufen. Das aber schauen wir uns ein anderes mal an.