Taxi fahren sollte eigentlich entspannend sein. Kommt allerdings auf den Fahrer an. Ist auch ohne Uber-Konkurrenz bereits schnell auf 180: Travis Bickle.
Taxi Driver (1976) – Die Story
Drehbuch: Paul Schrader
Der unter Schlafstörungen leidende Taxifahrer Travis Bickle (Robert De Niro) fühlt sich von seinen meist zwielichtigen Passagieren oft angewidert. Beispielsweise von dem Zuhälter, der die minderjährige Iris beschäftigt. Wäre an der Zeit hier in New York mal richtig aufzuräumen.
Die Einführung von Travis Bickle
Im Vorspann des Filmes sehen wir in Nahaufnahme Travis, der aus seinem Taxi heraus das Nachtleben New Yorks verschwommen an sich vorüberziehen läßt. Wie Travis diesen Job überhaupt bekommen hat erfahren wir dann in der Anschlussszene, in der wir ihn bei seinem Vorstellungsgespräch in der Taxifirma begleiten. Aufgrund von Schlafstörungen möchte Travis gerne nachts fahren und teilt dem Personalchef mit, dass es ihm egal ist wo und wen er fährt. Wirklich komplett egal. Neben ein paar Standardfragen beantwortet Travis auch brav die Fragen nach seiner Ausbildung (mal hier und da) und seiner Militärgeschichte (ehrenvoll entlassen), wirkt aber irritiert, als sein Gegenüber ihn verdächtigt auf Schwarzarbeit aus zu sein. Den Begriff kenne er nicht, so Travis. Er bekommt den Job und verläßt das Taxibüro wieder, mit dem Befehl sich am nächsten Tag zum Dienst zu melden.
Ausschnitt aus dem ersten Auftritt von Travis Bickle.
Als Nächstes sehen wir Bickle in seinem Apartment in sein Tagebuch schreiben, mit dessen Inhalt als Voice-Over. So erfahren wir, dass er sich über den Regen freut, der den Müll von den Straßen gewaschen hat. Und er berichtet von seinen ersten Tagen im Job, der ihm dank vereinzelter Schwarzarbeit und langen Arbeitsstunden ordentlich Geld einbringt. Vor allem aber hält er ihn beschäftigt. Die Kamera begleitet Travis nun bei einer solch nächtlichen Fahrt – das Voice-Over läuft brav weiter. Unser Protagonist beschreibt dabei die nachtaktiven Menschen um ihn herum abschätzend als kranke Tiere, die ruhig auch mal ein ordentlicher Regen wegspülen könnte. Er fügt aber hinzu, dass er im Gegensatz zu einigen seiner Kollegen kein Problem hat diese “Tiere“ mitzunehmen – ihm ist ja alles egal. So wie die Tatsache, dass kurz darauf ein alter Kerl mit einem jungen Mädchen einsteigt und sich auf dem Rücksitz vergnügt. Zurück in der Taxistation wirft sich Travis eine Tablette ein und stempelt sich aus. Natürlich nicht ohne vorher nochmal die Rückbank, wie jede Nacht, mit einem Putzlappen von Schmutz, wie Sperma oder Blut, zu befreien. Das ist ja mal ein Job.
Die Analyse
Vereinzelt haben wir ja hier bereits über die Rolle der Musik bei der Charaktereinführung gesprochen. “Taxi Driver“ bietet aber einen schönen Grund dieses wieder zu tun und aufzuzeigen, wie wundervoll Musik nicht nur generell Spannungen in einem Film aufbauen, sondern auch die innerhalb von Figuren herausarbeiten kann. Das gelingt dem Komponisten und legendären Hitchcock-Kollaborateur Bernard Herrmann mit der Filmmusik in der Eröffnungssequenz von “Taxi Driver, der letzten Auftragsarbeit vor seinem Tod, einfach vorzüglich. Bei der den Film einleitenden Fahrt von Travis durch das New Yorker Nachtleben wechselt die Musik relativ abrupt zwischen zwei gänzlich unterschiedlichen Stimmungslagen. Wenn die Kamera auf den Augen von Travis ruht oder wir mit ihm durch die Windschutzscheibe auf die verschwommenen Silhouetten der Straße blicken, wird dies flankiert von melancholisch-träumerischem Jazz. Blicken wir von außen auf die nicht verschwommene Realität wird dies dagegen von angespanntem Trommeleinsatz begleitet, der ein klein wenig an alte Film Noir Filme erinnert.
Diese unterschiedlichen Stimmungen spiegeln gut den inneren Konflikt der Hauptfigur wieder. Auf der einen Seite scheint diese passiv und abgestumpft einfach das Leben über sich ergehen zu lassen und gar keine emotionale Verbindung zur Umgebung mehr aufbauen zu können. Auf der anderen Seite köcheln unter dieser Oberfläche doch auch versteckter Frust und potentielle Gewaltphantasien in Travis, bei denen es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis diese sich das erste Mal zeigen werden. So würde alleine das Anhören der Audiospur dieser Eröffnungsszene Zuhörern schon reichen, um einen ersten Eindruck von der Zerrissenheit dieses Filmes und seiner Hauptfigur zu bekommen.
Anytime, anywhere
Nun ist “Taxi Driver“ aber glücklicherweise keine rein akustische Erfahrung und so wird dann auch visuell der Grundstein für die Zerrissenheit der Figur gelegt. Es beginnt mit dem wundervollen ersten Shot des Taxis, dass sich durch schon fast mystisch wirkenden Nebel den Weg hinein in das “sündige Nachtleben“ bahnt. Der Blick von Travis (von dem wir zu Beginn nur die Augen sehen) hinaus in das Nachtleben wird lediglich verschwommen gezeigt, was dem Ganzen eine melancholisch-distanzierter Färbung verleiht. Im Gegenzug wird das Gewaltpotential von Travis durch das rote Licht angedeutet, dass über dessen Augen liegt. So wird der Vorspann dank Bild und Ton zu einem äußerst intensiven Erlebnis, dass sehr schnell die Spannungen der Story und seiner Figur emotional anteasert. Ebenfalls zum Einsatz kommt ein Motiv, das in den ersten Minuten gleich mehrfach und je später umso deutlicher aufgegriffen wird. Es ist der Scheibenwischer des Autos, der mit einem Wisch die Scheibe von Schmutz befreit – eine Metapher, die Travis sehr aktiv später in die Umsetzung bringen wird.
Gefolgt wird der Vorspann dann von einer eher klassischen Charaktereinführung, die sich eines sehr einfachen und in diesem Blog auch schon so ähnlich gesehen Tricks behilft, um Hintergrundwissen über seine Hauptfigur zu transportieren: ein Bewerbungsgespräch. Hier wird Grundlagenwissen, wie der Name und das Alter der Figur kurz abgefrühstückt, während man das Gespräch gleichzeitig auch dafür nutzt, um noch etwas spezifischere Eigenschaften von Travis zu etablieren. Das Zögern bei der Frage nach seiner Ausbildung und dessen Antwort, dass er diese nur hier und dort mal genossen hat, gibt uns wichtigen Background, um die Figur auch intellektuell besser einschätzen zu können. Wie Travis tickt vermittelt auch dessen Geständnis, sich öfters in Pornokinos aufzuhalten. Noch wertvoller für ein rundes Charakterbild sind aber die von Travis angeführten Schlafprobleme und dessen Gleichgültigkeit. Bisherige Nächte hat Travis einfach nur in Bussen und U-Bahnen verbracht und es ist nicht die Leidenschaft für den Job oder Menschen, die ihn zum Taxifahren bringt, sondern alleine das Geld. Und weil er halt ja sowieso wach ist. Ein Mann, dem vieles egal zu sein scheint und der seinem Gegenüber dann auch gleich zweimal klarmacht: “I work anytime, anywhere“.
Voice-Over auf Autopilot
Doch wie im Vorspann wird diese emotionale Gleichgültigkeit durch die offensichtliche Anspannung der Figur und deren teilweise gequält wirkendes Grinsen konterkariert. Ein Gefühl, das auch dadurch verstärkt wird, dass es ebenfalls vom Personalleiter des Taxi-Unternehmens aufgegriffen wird. In dem dieser Travis klar macht, dass dieser ihn bloß nicht verarschen soll. Geschickt wird so impliziert, dass Travis das Potential hat Ärger zu machen. Nicht gerade dagegen spricht die Tatsache, dass unsere Hauptfigur sich nach dem Vorstellungsgespräch direkt einen Schluck aus der Pulle gönnt, deren Aufenthalt in Travis Jackentasche wohl auch eher permanent als zufällig zu sein scheint. Der erste Eindruck von Bickle ist nun also etabliert, wir blicken hier aber trotzdem auch noch auf die nächsten beiden Szenen. Denn diese greifen in eine sehr vertraute Trickkiste, um die bisher angedeuteten Konflikte der Hauptfigur noch deutlicher an die Oberfläche zu bringen. Es folgt nämliche der “faulste“ Kniff der Charaktereinführung: das Voice-Over.
Travis, der unseren Erwartungen entsprechend in einer eher einfachen Single-Bewohnung haust, wird dort beim Ausfüllen seines Tagebuches gezeigt. Via Voice-Over läßt man uns dabei an seinen Gedanken teilhaben. Ja, da macht man es sich schon sehr einfach. So erzählt Travis uns, dass mit das Beste an seinem Job nicht nur das Geld, sondern vor allem auch die Tatsache ist, dass dieser ihn beschäftigt hält – offensichtlich hat da jemand also ein Päckchen zu tragen, dass er lieber nicht öffnen möchte. Und er teilt uns mit, wie sehr er sich über den Regen freut, der draußen den Müll wegspült. Eine Metapher, die man für das Publikum aber kurz darauf lieber noch einmal deutlicher erklärt. So philosophiert Travis ein paar Sekunden später darüber, dass so ein Regen doch eigentlich auch den ganzen Abschaum da draußen wegspülen könnte. Nein, subtil ist das nicht. Während man aber den Einsatz dieses Stilmittel anderen Filmen ankreidet führt dieser hier nur zu verhaltenem Protest. Was schlicht und ergreifend daran liegt, dass sowohl Schauspiel als auch Regie in einer so hohen Liga spielen, dass man einfach milde gestimmt ist.
Frühjahrsputz für Hauptfiguren
Visuell gelingen dem Film allerdings auch im weiteren Verlauf der Einführung einige wundervolle Momente, die uns den Charakter von Travis näher bringen. Der Regen draußen sorgt für ein verschwommenes Bild, doch in der Hand von Travis liegt die Macht über die Scheibenwischer und damit auch die Lösung: er kann den ganzen Schmutz einfach wegwischen. Zwei unterschiedliche Weltbilder und eine Person mittendrin, die sich schon bald ihrer “Macht“ bewusst werden wird. Noch aber legt man Wert darauf die “Scheiß egal“-Haltung des Protagonisten weiter hervorzuheben, in dem dieser stoisch im Voice-Over davon berichtet, dass er im Gegensatz zu anderen ja alle Passagiere mitnimmt. Und er läßt wenig später auch ohne zu Murren auf seinem Rücksitz ein “Liebespaar“ sich austoben. Doch für diese Abgestumpftheit der Figur findet man auch gute visuelle Metaphern. Das Travis nämlich dabei durch einen langen Tunnel fährt und man dazu das genauso stoisch weiterlaufende Taxi-Meter zeigt ist nämlich sicher kein Zufall.
Am Ende der Fahrt läuft dann alles auf das große Reinemachen raus und teasert damit gewissermaßen schon fast das Finale des Filmes an. Gleich drei Mal wird nun nämlich der Schmutz der Straße von Travis entfernt. Einmal, in dem Travis schon fast absichtlich durch eine Wasserfontäne fährt und so den Wagen von außen reinigt. Das Innere des Wagens wiederum wird von ihm mit einem Tuch gereinigt. Und Travis reinigt sich sozusagen auch noch selbst, in dem er sich nach der Fahrt schnell eine Tablette einwirft, um irgendwie abschalten zu können. Noch eindeutiger läßt sich der innere Konflikt der Figur kaum in Bilder packen und das ist so schön gelöst, dass wir an dieser Stelle nur noch einmal ganz kurz an den etwas banalen Einsatz des Voice-Overs erinnern möchten. Aber auch wirklich nur ganz kurz…