Abgeschweift

Blockbuster Stimmung

Indiana Jones, Ethan Hunt, Robert Oppenheimer und Barbie – der Blockbuster-Sommer fiel dieses Jahr ziemlich üppig aus. Wie glücklich man damit ist kommt aber auch auf die eigene Laune und die Erwartungen an, mit denen man den Kinosaal betritt.

Ein stressiger Kinosommer
Irgendwie ist es ja schon frustrierend. Da regt man sich oft darüber auf, dass das ganze Jahr kaum interessante Großproduktionen für Erwachsene im Kino laufen und dann stopfen die Verleiher einfach alle vielversprechenden Kandidaten in nur wenige Wochen. So kann man sich natürlich erfolgreich selbst kannibalisieren und muss sich nicht wundern, wenn manche Werke dann an der Kinokasse enttäuschen. Jugendliche mögen die Zeit (aber vermutlich nicht das Interesse) haben jede Woche ins Kino zu gehen, für ein älteres Semester ist das aber selbst ohne Kinder schon eine deutlich herausfordernde Aufgabe.

Augen zu und durch sagt da aber der Filmliebhaber und schaufelt sich so die Zeit frei um „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“, „Mission Impossible: Dead Reckoning Teil 1“, „Oppenheimer“ und „Barbie“ anzuschauen. Mit teils etwas überraschendem Ergebnis und wieder mal der Erkenntnis, dass oft auch viele „weiche Faktoren“, wie Stimmung oder Erwartungen, die Wahrnehmung eines Filmes stark beeinflussen können. Aus diesem Grund folgt heute ein kurzer spoilerfreier Kritik-Rundumschlag zum diesjährigen Blockbuster-Sommer – inklusive ein paar subjektiven Erkenntnissen zu Kinobesuchen.

Erleichterung oder „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“
Noch immer würde ich Indy als meine Lieblingsfigur der Kinogeschichte bezeichnen, da kann auch der desaströse vierte Teil nichts daran ändern. Nach zahllosen Gerüchten, dass auch der fünfte Teil ein Desaster sei und auch die ersten Reviews aus Cannes den Film in der Luft zerrissen, waren meine Erwartungen ziemlich am Boden. Was dann dafür sorgte, dass dieser zumindest halbwegs ordentliche Abenteuerfilm mich am Ende mit einem positiven Gefühl der Erleichterung im Kinosessel zurückließ. Nein, sie haben es doch nicht komplett vermasselt und Indy muss nicht mit dem schrecklichen vierten Film frisch im Gepäck in Rente geschickt werden. Was aber nichts daran ändert, dass man lieber nach dem dritten Teil Schluss gemacht hätte und dieser fünfte Teil nur akzeptabel ist, um den schlechten Nachgeschmack des Vorgängers zumindest etwas auszumerzen.

Der fünfte Indy-Film hat dabei ein paar wirklich interessante Ansätze, die aber leider nicht wirklich konsequent genutzt werden. Es ist schon lange her, dass ich in einem Blockbuster im Schlussdrittel (Flugzeugszene) keine Ahnung hatte welche Richtung die Geschichte nun einschlagen würde. Tatsächlich ist es eine interessante Richtung mit viel Potential und der cleveren Idee, Indy am Ende vor eine ganz besondere Entscheidung zu stellen. Nur leider wird das im Vorfeld nicht wirklich gut vorbereitet, womit die emotionale Wirkung der Situation leider verpufft. Ebenso zwiegespalten ist meine Wahrnehmung des digital verjüngten Harrison Ford in der Einführungssequenz. Da wird (durch dreistes Kopieren der alten Filme) zwar tatsächlich altes Indy-Feeling erzeugt, doch irgendwie wirkt der digital manipulierte Ford hier zu leblos-künstlich, um einen wirklich komplett mitzureißen. Meine erste Erklärung lautete, dass dessen Augen zu leblos wirkten und die Stimme natürlich zu alt war. Inzwischen habe ich aber eher den Verdacht, dass irgendwas in mir ganz automatisch eine emotionale Barriere zu einer Figur aufbaut, von der ich weiß, dass sie digital manipuliert wurde. In dem Fall wird es wohl auch nichts bringen, wenn die Technik sich immer weiter verbessert – wirklich annehmen werde ich digital verjüngte Schauspieler*innen wohl nie. Aber das ist ein Thema für einen anderen Beitrag.

Während Anfang und Ende so zwar nicht perfekt aber doch interessant sind, ist das große Problem des Filmes der Mittelteil. Der fühlt sich eher unkreativ an und die Entscheidung Helena erst relativ spät gegenüber Indy auftauen zu lassen raubt dem Film einiges an potentiellem Charme und Wärme. Dazu sind die Action-Sequenzen zwar ok aber eben auch nicht mehr, da man gerade bei den vielen Autoverfolgungen merkt, dass hier die Geschwindigkeit nachträglich erhöht wurde und alles irgendwie so künstlich und wenig aufregend wirkt. So bleibt ein Film, der zwar nur in Teilen gut unterhalten kann, aber zumindest ein wenig das alte Indy-Flair generiert – und damit war nach den Hiobsbotschaften im Vorfeld dann doch eher nicht zu rechnen. So fühlt sich der Film besser an, als er eigentlich auf dem Papier ist.

Wertung: 6 (gefühlt 7) von 10

 

Enttäuschung oder „Mission Impossible: Dead Reckoning Teil 1“
Manchmal geht das Licht aus im Kino und man hat eine Riesenvorfreude auf einen Film. Und manchmal merkt man, dass man irgendwie so gar nicht gut drauf ist. Letzteres ist mir beim siebten Teil der „Mission Impossible“-Reihe passiert, die ich seit der Übernahme von Regisseur Christopher McQuarrie eigentlich sehr schätzen gelernt habe. Gerade die Action-Szenen sind großartig klassisch inszeniert (mein Favorit: die Opern-Szene in „Rogue Nation“) und bei den Stories beschränkt man sich clevererweise auf ein Minimum. In Interviews hat McQuarrie einmal erzählt, dass man vor allem Dialog möglichst eliminieren möchte, um im Idealfall an den Spirit alter Action-Stummfilme à la Buster Keaton anzuknüpfen.
Klingt toll, nicht? Warum ist dann aber davon in „Dead Reckoning Teil 1“ überhaupt nichts zu sehen? Soviel unnötigen Sätzen und Exposition habe ich noch in keinem der bisherigen Teile der Reihe lauschen müssen. Wenn Luther immer wieder Sätze einwirft, in denen er darauf hinweist warum das jetzt so wichtig ist, dass man dies und das macht, fühle ich mich als Zuschauer einfach nicht ernst genommen. Viel zu oft wird so auch die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, dass der Plot kompletter Nonsense ist. War es zu gewissen Teilen auch bei den anderen Filmen, aber da wurde man nicht so mit der Nase darauf gestoßen. Was hier aber ein echtes Problem ist, da gerade die Motivation und die Handlungen des K.I. Gegners einfach komplett Banane sind.

So gibt es eine Szene bei einer Party in Venedig, wo gefühlt 6 verschiedene Parteien ihre Ziele und Motive erläutern und man einfach nur Kopfschüttelnd vor der Leinwand sitzt, weil so gar nichts davon Sinn ergibt. Spätestens in dieser Szene hatte der Film mich verloren, weil durch die grundsätzlich „feindliche“ Grundstimmung in der ich mich befand, dass aber sicher auch leichter als sonst war. Trotzdem würde ich dem Großteil der Kritiker, die den Film in höchstens Tönen loben, deutlich widersprechen. Nein, dass ist kein großartiger Action-Film sondern einfach nur eine sinnlose und diesmal einfach nicht intelligente Aneinanderreihung von zugegebenermaßen gut gemachten Action-Szenen. Und auch bei denen macht man es sich zu einfach, in dem man sich bei eigenen Vorgängern Inspiration sucht (mal wieder im Gegenverkehr durch einen großen Kreisverkehr) und gerade die Verfolgungsjagden irgendwie noch ein Spur künstlicher wirken. Auch hier wieder mein Verdacht, dass die digitale „Verschnellerung“ der Szenen hier das alles irgendwie weniger aufregend macht. Nein, für einen wirklich guten Action-Film brauche ich einfach mehr.

Wertung: 6 von 10

 

Erwartbarkeit oder „Oppenheimer“
So ein bisschen habe ich es ja erwartet. Die Gefahr war immer da, dass Nolan einfachen Geschichten nicht traut und in die Versuchung kommt, sie mit seiner Verspieltheit und der Vorliebe für Bombast unnötig zu verkomplizieren. Ja, „Oppenheimer“ ist ein guter Film – schon alleine für die Tatsache, dass ein vollbepacktes Kino heutzutage einen Film über Wissenschaftler anschaut und faszinieren Leuten wie Heisenberg, Oppenheimer und Einstein lauscht. Aber irgendwie ist es dann auch sehr frustrierend, dass Nolan die Chance verspielt daraus einen wirklich großartigen Film zu machen. Hauptschuldig meiner Meinung sind dafür diese drei Schwächen:

1. Der Film besteht gefühlt aus zwei Filmen, die sich gegenseitig ihrer Entfaltung berauben. Auf der einen Seite die Story rund um den Auftrag des Baus der Atombombe und auf der anderen Seite das Privatduell von Oppenheimer mit dem von Robert Downey Jr. gespielten Lewis Strauss. Leider ist zweiteres deutlich uninteressanter und lenkt von der deutlich interessantere anderen Geschichte und dessen zentralem moralischen Dilemma ab. Und gerade hintenraus hätte man diesen Teil wirklich deutlich kürzen können, denn gerade das Verhör von Oppenheimer durch die Kommission ist viel zu ausführlich und zäh – erst recht nach schon über 2 Stunden Spielzeit. Hier war schon nach paar Minuten klar auf was das Verhör rausläuft, da hätte man gut die Schere auspacken können. Allgemein fehlt dem Film bei diesen beiden Geschichten ein klarer Fokus und das raubt beiden Strängen doch deutlich an Kraft.

2. Nolan kann es mal wieder nicht lassen und springt wild in der Zeit herum. Eine unnötige Verkomplizierung, die bei simpleren Sci-Fi-Ideen spannungsfördernd sein mag, hier aber einfach zuviel des Guten ist. Gerade bei einem inhaltlich und moralisch so anspruchsvollem Grundthema sollte man die Leute nicht wild durch die Zeit hetzen – diese Story hat es einfach nicht nötig noch künstlich aufgepeppt zu werden. Teilweise hatte ich auch Probleme gleich zu merken in welcher Zeitlinie ich nun bin, da man es entgegen den Sehgewohnheiten des Publikums es diesem auch noch schwieriger macht, da die Schwarz-Weiß-Sequenzen nicht die alten sondern die neuen Szenen sind. So nett die Idee ist mit alten Gewohnheiten zu brechen, wenn ein Film sowieso schon komplex ist braucht es das einfach nicht. Und so ist es schwierig in diesem Film so richtig anzukommen, da Nolan alles dafür tut, dass man keinen wirklichen Halt findet. Was mich zu Punkt 3 bringt.

3. Der Film hat leider ein viel zu hohes Grundtempo –gerade in der ersten Stunde, die dramaturgisch unausgegoren wirkt und sehr frustriert. Man achte mal darauf, wie Nolan Dialoge inszeniert und schneidet. Kaum Pausen, kein Innehalten bei Antworten und im Stakkato werden viele unterschiedliche Personen vorgestellt und Informationen vermittelt. Nie hat man Zeit zumindest mal ein bisschen davon zu reflektieren und die Informationen setzen zu lassen – was gerade bei diesem Thema sehr wichtig wäre. Wie man das richtig macht hat unter anderem Oliver Stones „J.F.K.“ gezeigt, da kann Nolan noch einiges von lernen.
Natürlich, „Oppenheimer“ hat großartige Momente. Gerade im Mittelteil, wenn es um den Bau der Atombombe geht. Und es ist immer noch ein guter und interessanter Film, vor allem dank einem fantastischen Cillian Murphy und einer Story, die natürlich viel Gesprächsstoff liefert. Ein Meisterwerk oder gar Nolans bester Film ist „Oppenheimer“ aber leider nicht geworden.

Wertung: 7 von 10

 

Euphorie oder „Barbie“
Ich muss lange zurückdenken, wann ich mal wieder richtig entspannt im Kino lachen konnte. Gute Komödien mit einer ordentlichen Portion Albernheit sind rar geworden in den letzten beiden Jahrzehnten. Vor allem Filme, die meine Voraussetzung für dieses Genre erfüllen: Albernheit kann großartig sein, solange ich das Gefühl habe, dass die Macher dahinter intelligent sind und wissen was sie tun. Letzter erfolgreicher Vertreter dieser Kategorie war „Tropic Thunder“ – und der ist nun auch schon 15 Jahre her. Umso größer meine Freude, dass ausgerechnet „Barbie“ an diese Tradition anknüpft und entspannt dazu einlädt eine gute Zeit zu haben. Und obwohl der Film seine Längen und Schwächen hat, kam ich fast schon berauscht aus dem Kino. Ein volles Haus, alle im Publikum gut drauf, einige tolle Gags – das reicht angesichts der Komödienflaute des letzten Jahrzehnts schon, um mich richtig zu euphorisieren.

Dazu hat Barbie, im Gegensatz zum Marvel-Einheitsbrei, auch noch ein unglaublich kreatives und liebevolles klassisches Production-Design zu bieten, dass den Oscar hoffentlich sicher haben dürfte. Die Art, wie man hier dazu liebevoll den „Spirit“ von Barbie einfängt, in dem man das unschuldige Spielen von kleinen Mädchen mit den Figuren hier auf das Mindset der Protagonisten überträgt, ist ebenfalls einfach clever gemacht. Eben mit Köpfchen, wie so vieles in dem Film. Ein paar Längen erlaubt man sich aber leider doch, gerade wenn es in die Zentrale von Mattel geht, wo Will Ferrell im Wesentlichen das macht was er immer tut. Und auch manch gut gemeinte Botschaft für Mädchen und Frauen hätte man ruhig etwas weniger aufdringlich präsentieren können. Was vor allem für die letzte Szene und das Gespräch zwischen Barbie und ihrer „Schöpferin“ gilt. Hier rächt sich etwas, dass die Figur der Barbie natürlich relativ einfach gestrickt ist und der Versuch hier nun nachdenkliche Tiefe reinzubringen so nur bedingt funktioniert.

Das raubt dem Film ein weniger seiner Energie, die gerade im letzten Drittel so unglaublich ansteckend ist. Gerade was Ryan Gosling hier als Ken veranstaltet ist einfach grandios selbstironisch gespielt und mündet in einer der witzigsten musikalischen Darbietungen der Filmgeschichte. Selten hat mich Humor in den letzten Jahren so mitgerissen wie in dieser Sequenz und dafür könnte ich den Film, trotz mancher Schwäche, immer noch einfach umarmen. Dazu ist es ein perfekter Film um diesen gemeinsam mit dem anderen Geschlecht anzuschauen, da er nur auf den ersten Blick eine gnadenlose Abrechnung mit dem männlichen Geschlecht ist. Wer genauer hinschaut, wird auch als Mann entdecken, dass sich da teils auch mit viel Liebe über manche unsere Schwächen amüsiert wird. Merci beaucoup für diesen unterhaltsamen Abend, Greta Gerwig.

Wertung: 8 von 10

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert