Abgeschweift

Die fröhlich-düstere Spur des Falken

Filmmusik kann episch sein. Oder wundervoll minimalistisch. Zeit für eine Lobeshymne.

Eine Frage des Genres
Wenn ich nach meinen Lieblingsmusikgenres gefragt werde, erntet der Gegenüber in der Regel zwei Antworten: Rock und Filmmusik. Für Rock ist das hier definitiv der falsche Blog – auch wenn ich mich für manche Blogbeiträge schon mal mit Led Zepplin in Stimmung bringe. Ein Blick auf meine Liebe zur Filmmusik ist an dieser Stelle aber sicher passender. Eine Liebe, die treue Leser ja auch nicht überraschen dürfte. Schließlich habe ich schon die italienische Sommerhitze auf mich genommen, um den guten Ennio Morricone einmal in seiner Heimat live erleben zu dürfen.

Macht mich jetzt aber auch nicht automatisch zu einem Experten für dieses Musikgenre. Und ehrlich gesagt genieße ich die Musik lieber, anstatt sie zu analysieren. Und so wird hier nun auch keine große Abhandlung über die Geschichte und Merkmale dieses Genres erfolgen. Stattdessen einfach nur ein paar lose Gedanken und ein bisschen name-dropping von persönlichen Favoriten. Die oft natürlich auch einfach eng mit einem emotionalen Filmerlebnis verbunden sind – ob nun einzelne Sequenzen oder komplette Filme.

Ein Falke, zwei Filme
Mein Lieblingsbeispiel dafür, wie Filmmusik einen Film beeinflussen kann, ist ja schon seit vielen Jahren der Humphrey-Bogart-Streifen „Die Spur des Falken“ (The Maltese Falcon). Dort dachten sich nämlich die deutschen Verleiher, dem Film nicht nur humorvollere Dialoge sondern auch noch einen komplett überarbeiteten Soundtrack verpassen zu müssen. War ihnen alles irgendwie zu düster, Nachkriegsdeutschland brauchte schließlich gute Laune. Also ersetzte fröhlicher Jazz die dramatische Originalbegleitung. Das Ergebnis sind zwei komplett unterschiedliche Stimmungen und damit auch unterschiedliche Filme. Dank DVD und Youtube kann auch heute jeder dieses tolle Beispiel für die Auswirkungen von Filmmusik selbst unter die Lupe nehmen.

Für meine Lieblingsstücke und Lieblingskomponisten muss man sich aber eher in die 80er und 90er Jahre des letzten Jahrhunderts begeben. Irgendwie verständlich, dass viele meiner Favoriten aus der Anfangszeit meiner Kinoleidenschaft stammen, wo Filme (dank jugendlichem Alter) von mir noch intensiver und emotionaler aufgenommen wurden. Und ich noch weniger den „Kritikerblick“ eingeschaltet hatte. Das schmissige „Indiana Jones„-Thema von John Williams, Alan Silvestris wundervolle Beiträge zu „Forrest Gump“ und „Zurück in die Zukunft“ oder auch das Intro von Michael Kamen zu „Robin Hood – König der Diebe“ – da hängen einfach ein Haufen Kindheits- und Jugenderinnerungen dran. Wobei das letzte Beispiel gut zeigt, dass es nicht immer ein Meisterwerk braucht um einen Score für immer in den Kopf eines 12jährigen einzubrennen.

Epischer Minimalismus
Die Liste dieser „Jugend-Favoriten“ ist schier endlos – von „James Bond“ zu „Der weiße Hai“, vom „Superman“-Thema bis hin zu „Star Trek“. Glücklicherweise wurde mein Filmgeschmack dann aber bald etwas diversifizierter und ich entdeckte Klassiker für mich. Und mit ihnen wundervolle Kompositionen, ob die leichtfüßige Filmmusik zu „Der Clou“ von Marvin Hamlisch, das tolle „Scene d’amour“ von Bernhard Herrmann in „Vertigo“ oder natürlich Morricones epische Westernmelodien. Gerade letztere sind dann auch ein gutes Beispiel dafür, wie eng manche Stücke oft an bestimmte Filmmomente geknüpft sind. Das spannungsgeladene „Ecstasy of Gold“ an das Duell in „Zwei glorreiche Halunken“ oder das epische „Once upon a time in the west“ an den Flug der Kamera über den Bahnhof von Flagstone in „Spiel mir das Lied vom Tod“.

Zugegeben, es sind in der Mehrzahl eher die großen epischen Scores, die ich immer wieder anhöre. Aber es gibt auch ein Vielzahl von leisen, nachdenklichen, romantischen und oft auch ganz minimalistischen Stücken, die eine unglaubliche emotionale Kraft entfalten – von „Amélie“ zum „Club der toten Dichter“, von „Schindlers Liste“ bis „Requiem for a dream“. Grandios auch der extrem minimalistische Soundtrack zu „There will be blood“. Muss eben nicht alles immer laut und krachend sein. Wenn ich mich aber am Ende darauf festlegen müsste, was mein Lieblingsfilmscore wäre, dann fällt die Entscheidung leicht. Und nicht ganz überraschend auf den Film, dank dem ich mich als 11jähriger zum ersten Mal wirklich ins Kino verliebt habe.

Würde von der Band sicher nur zu gerne den eigenen Soundtrack vorgespielt bekommen: Oskar Schindler. (Foto: ©Universal Pictures Germany GmbH)

Ein Tanz mit Folgen
Den Film selbst werde ich hier sicher eines Tages mal ausführlicher würdigen. Den Soundtrack dazu hat bereits ein Kollege von mir auf filmszene gefeiert. Und so bleibt mir nur zu sagen, dass John Barrys grandiose Kompositionen zu „Der mit dem Wolf tanzt“ noch heute eine Gänsehaut bei mir auslösen. Und zu einem treuen Begleiter während seelischen Tiefs und kreativen Sackgassen geworden sind.

Aufmerksame Blogleser werden nun einwerfen, dass ich ja an anderer Stelle „Singing in the rain“ gehuldigt habe. Doch an die emotionale Wucht von Barrys wundervollem Hauptmotiv kommt das Stück dann doch nicht ganz ran. Denn Barry schafft zwei Sachen gleichzeitig mit seinem Score. Es verwandelt meine unaufgeräumte Einzimmerwohnung in eine weite und majestätisch Prairie und versetzt mich gleichzeitig zurück in den intensivsten Kinobesuch meiner Kindheit.

Komponisten und ihre Vorbilder
Womit ich mich allerdings schwer tue, ist einen einzelnen Komponisten aus all meinen Lieblingswerken herauszuheben. Sicher, Morricone hat unglaubliches geleistet. Aber so eben auch ein John Barry, Alan Silvestri, Bernhard Herrmann, John Williams oder Hans Zimmer. Wobei selbst die größten Filmkomponisten bei ihrem oft großen Output nicht immer auf höchstem Niveau agieren. Am stärksten fällt mir dies bei Williams auf, bei dem zum Beispiel in „Harry Potter“ oft sehr vertraute Elemente auftauchen, die man so ähnlich bereits in „Star Wars“, „Indiana Jones“ oder selbst „Kevin allein zu Haus“ gehört hatte.

Überhaupt wird in der Szene ja fleissig kopiert. Der gute „Nino Rota“ bekam sogar seinen Oscar für die Musik zu „Der Pate“ aberkannt, weil er diese teilweise schon in einem seiner früheren Filme genutzt hatte. Und wenn man sich nicht von sich selbst inspirieren läßt, dann eben von den großen Meistern der Klassik. Da verschwimmt schon manchmal die Grenze zwischen inspiriert und gut kopiert. Aber man agiert eben auch nicht in einem komplett luftleeren künstlerischen Raum und deswegen habe ich für solche Bezüge zu anderen Werken (die man meistens ja sowieso nicht mitbekommt) generell eher weniger Probleme. Übrigens auch nicht mit Hans Zimmer, der seine Musik unter seinem Namen zu einem Teil von seiner eigenen kleinen Filmmusikakademie produzieren läßt. Solange das am Ende gut klingt, sehe ich das als erfolgreich-effizienten Umgang der eigenen Arbeitszeit an.

Wie Don Corleone wohl mit Nino Rotas Faux-Pas umgegangen wäre? (Foto: ©Paramount Pictures)

Wo bleiben die Geheimtipps?
Stellt sich nur die Frage, ob es abseits dieser vielen vertrauten Namen auch noch ein paar Exoten gibt, denen ich gerne lausche. Hier würde ich für Empfehlungen aber gerne einmal etwas abseits des Genre wildern – zumindest ein kleines Stück. Wer gerne Filmtrailer schaut dürfte bestimmt schon einmal eines der epischen Stücke von „Two Steps from Hell“ gehört haben. Grandioser Ohrenschmaus – zum Einstimmen sei einfach mal „Protectors of the Earth“ empfohlen. Auch wenn selbst ich als Laie erkenne, wie bei den Stücken der beiden Jungs immer ähnlich auf einen musikalischen Orgasmus im Gehörgang des Publikums gezielt wird.

Ein anderes spannende Feld, dass Filmmusikfreunden ebenfalls gefallen dürfte, sind Computerspiele. Man nehme nur den tollen Soundtrack von Oscar Araujo zu „Castlevania: Lords of Shadow 2“ – hier gerne einmal mit „The Throne Room“ oder „Dying for a Drop of Blood“ starten. Das Thema zu „Halo“ ist ebenfalls grandios, genauso wie „The Corruption“ von Jesper Kyd zu „Darksiders 2“. Ach, und Brian Tyler hat mal eine epische Erkennungsmelodie für die Formel 1 geschrieben – auch da lohnt sich googeln. Es gibt also genug da draußen, was man genießen kann. Und noch so viel mehr, das es noch zu entdecken gibt. Und wem das alles nicht gefällt, der kann ja immer noch einfach eine gute Rocknummer auflegen…

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