Über 30. Übergewichtig. Single. Das darf Frau nicht passieren. Will keine Schokolade mehr, sondern lieber einen Mann: Bridget Jones.
Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück (2001) – Die Story
Drehbuch: Helen Fielding, Andrew Davies, Richard Curtis
Die frustrierte Dauer-Single-Dame Bridget Jones (Renée Zellweger) beschließt am Neujahrstag ihr Leben zu verändern. Und das via Tagebuch festzuhalten. Abnehmen, das Rauchen aufgeben und den Mann fürs Leben finden – da hat sie sich ganz schön was vorgenommen. Wird aber sicher nicht leichter, wenn man sich auch noch in den eigenen Chef verguckt.
Die Einführung von Bridget Jones
Punkt Neujahr macht sich die 32jährige Bridget Jones auf zu ihren Eltern, die wie jedes Jahr eine kleine Party schmeißen. Schon bei der Ankunft ahnt Bridget, dass ihre Mutter sie dabei wohl wiedereinmal verkuppeln möchte. Und prompt präsentiert diese ihr dann auch gleich Mark, einen frisch geschiedenen Anwalt. Der Funke springt allerdings nicht über, denn die etwas nervös-überdrehten Small-Talk-Ergüsse von Bridget lösen bei Mark nur Kopfschütteln aus. Und gegenüber seine Mutter stellt Mark klar, dass diese alte rauchende Jungfer für ihn mal so gar nicht in Frage kommt. Bridget hört zufällig diese vernichtenden Worte und realisiert: Wenn sie nun nichts in ihrem Leben ändern wird, dann wird sie vereinsamt sterben. Also, packen wir es an…
Die Analyse
Das mit dem Voice-Over ist ja so eine Sache. In Drehbuchkreisen gilt es oft als verpöntes Stilmittel. Ein billiges Tool, um schnell Infos an den Mann zu bekommen. Man erklärt das, was man doch viel besser und schöner auch hätte zeigen können. Show, don’t tell – das gilt als Grundregel in jedem Drehbuchkurs. Am Ende ist es aber ehrlich gesagt nur eine Frage der Umsetzung. Das mit dem Voice-Over kann man nämlich auch elegant machen. Sieht man zum Beispiel beim Kollegen „Big Lebowski“. Oder, in allerhöchster Meta-Ebene, in „Adaption“ (Pflichtfilm für alle angehenden Drehbuchautoren). In „Bridget Jones“ ist es mit dem Voice-Over dagegen ein etwas zweischneidiges Schwert. Einerseits, kommt es in der Eröffnungsszene schon ein bisschen plump daher. Andererseits, wird die Nutzung des Voice-Over im Nachgang zumindest halbwegs elegant dadurch erklärt, dass Bridget ja alles in ihrem Tagebuch vermerkt.
Das verführerische am Voice-Over ist natürlich, dass es so gnadenlos effizient ist. Was man wundervoll am ersten Satz des Filmes sieht: „It all began on New Year’s Day, in my 32nd year of being single.“ Auf dem Weg zu ihren Eltern gibt uns Bridget via Voice-Over damit gleich mal drei wichtige Grundinformationen an die Hand. Es ist Neujahr, sie ist 32 und immer noch Single. Hätte man auch über ein paar Dialoge transportieren können, geht aber so einfach schneller. Und in dem Tempo geht es dann auch weiter. Bridget erklärt uns wohin sie unterwegs ist (Truthahn-Curry-Festmahl der Mutter) und was sie dort erwartet (wohl eine weitere Verkupplungsaktion). Dank Voice-Over haben wir nun in drei Sätzen alle wichtige Informationen bekommen, die wir für den Start der Geschichte benötigen. Und sogar noch ein bisschen mehr.
Die Stimme der Verbitterung
Neben der nüchternen Informationsvermittlung hat das Voice-Over einer Figur nämlich noch eine weitere Funktion. Die Art und Weise wie eine Figur redet, ist nämlich ein durchaus wichtiger Baustein beim Aufbau des Charakters. Und hier wird es dann bei „Bridget Jones“ etwas interessanter. Denn Bridget kommentiert alles auf extrem sarkastisch-ironische Art und Weise. Gepaart mit einem Hauch von Arroganz. So kann sie es nicht lassen, richtig abfällig über die bisher von der Mutter für sie angeschleppten Männer herzuziehen. Alles spießige Langweiler mit schlechten Frisuren. So deutet das Voice-Over schon an, dass diese Frau wohl hohe Ansprüche an die Männerwelt stellt. Und ihr spezieller Humor die Männersuche wohl auch nicht gerade einfacher macht. Klingt alles schon nach ein bisschen resignierender Verbitterung.
All das bekommen wir in drei Sätzen Voice-Over serviert. Gestoppte Zeit: unter 20 Sekunden. Das nennt man Effizienz. Mag nicht sehr kreativ sein, aber so legt man natürlich sehr schnell ein erste Grundlage, um möglichst früh in die eigentliche Geschichte einsteigen zu können. Allerdings muss dieser erste Eindruck schon noch etwas mehr verfestigt werden, bevor es wirklich ans Eingemachte geht. Und genau das passiert, nachdem Bridget das Haus betreten hat. Der Film hat dabei eine eindeutige Mission: Bridget als sympathische Verliererin (in Punkto Liebe) zu etablieren, die Hauptstory in Gang zu setzen und dabei noch das Publikum zum Lachen zu bringen. Wir sind hier ja schließlich immer noch in einer Komödie.
Nadelstiche
Es ist dabei schön zu beobachten, wie der Film innerhalb der Feier geschickt einen kleinen Spannungsbogen aufbaut. Genauer gesagt, wie er Bridget immer stärker an ihren Schmerzpunkt heranführt. Um dann gezielt am Ende unsere Protagonistin den emotionalen Todesstoß zu setzen und damit die Hauptgeschichte in Gang zu setzen. Der erste Nadelstich kommt dabei von der eigenen Mutter. Die erst einmal Bridgets Outfit mit dem eines Auschwitz-Häftlings vergleicht (nein, das hat es natürlich nicht in die deutsche Synchronisation geschafft). Das vernichtende Urteil: Meine Tochter kriegt es ohne Hilfe nicht hin einen Mann zu finden.
Das Bridget in der Folge ein noch viel schrecklicheres Kleid ihrer Mutter verpasst bekommt, ist nicht einfach nur ein netter Gag. Es zeigt auch, dass Bridget in dieser Hinsicht über relativ wenig Selbstbewusstsein verfügt. Innerlich scheint sie die Männersuche schon abgehakt zu haben. Es wird dem Zuschauer deutlich signalisiert: da muss schon etwas Außergewöhnliches passieren, bevor diese Frau einen Mann findet.
Ein Funken Hoffnung
Und weiter geht es dann mit den Nadelstichen. Auftritt Geoffrey, Kategorie älterer schmieriger Kerl. Von ihm darf sich Bridget an den Hintern greifen lassen. Und bekommt die böse Frage gestellt, wie es denn um ihr Liebesleben bestellt sei. Ausweichen bringt Bridget dabei nichts, denn Geoffrey hat sie schnell durchschaut. Immer noch Single, die junge Dame. Und um auch wirklich jeden Verdacht der Feinfühligkeit aus dem Weg zu räumen, gesellt sich dann auch noch Geoffreys Frau hinzu und erinnert Bridget an deren biologische Uhr.
Unsere Protagonisten wird auf der Feier also Stück für Stück in eine Ecke gedrängt und immer wieder an ihren großen Schmerzpunkt erinnert. Die perfekte Vorlage für den Höhepunkt der Charaktereinführung: das Treffen mit Mark. Die allzu offensichtliche Verkupplung durch ihre Mutter, die auch Mark sofort durchschaut, verstärkt ebenfalls unsere Eindruck von Bridgets Unfähigkeit in Sachen Liebesleben. Als sie Mark aber von hinten sieht, macht sie sich tatsächlich via Voice-Over für ein paar Sekunden Hoffnungen. Vielleicht doch mein Mr. Right? Ein wichtiger Moment, da dem Zuschauer so deutlich gemacht wird, dass die Figur, bei all ihrem Sarkasmus, ihren großen Traum wohl doch noch nicht ganz aufgegeben hat.
Charakter ohne Bremse
Aber der Sarkasmus hat nur kurz Pause. Als sich Mark umdreht, und Bridget dessen schrecklichen Rentierpulli sieht, ist sie wieder ganz die „alte“. Und kommentiert das wieder ironisch via Voice-Over. Und dann sehen wir ihre ungelenken Date-Fähigkeiten in ihrer ganzen Pracht. Bridget redet ohne Punkt und Komma, dafür aber jede Menge Unsinn. Woher dieses Talent kommt, hat der Film übrigens geschickt dadurch etabliert, dass er Bridgets Mutter und ihren Vater ebenfalls mit einem ähnlichen Humor ausgestattet hat. Was die Figur der Bridget etwas runder wirken läßt. Liegt alles an den Genen. Bridget bemerkt dann zwar selbst, dass bei diesem Date alles in die falsche Richtung läuft, aber sie kann es nicht mehr aufhalten.
So wird dieses Desaster-Date im Wesentlichen zu einer Zusammenfassung von all den Aspekten der Figur, die wie in den Minuten zuvor schon in etwas abgeschwächter Form präsentiert bekommen haben. Der Zuschauer hat also eine überzeugende Antwort darauf bekommen, warum diese Frau noch Single ist. Die Frage ist nur, warum sollte dies das Publikum interessieren? Es braucht hier ein Band zwischen Zuschauer und Hauptfigur. Aber wie bekommt man das? Natürlich spielen da jede Menge Faktoren eine Rolle, allen voran das Charisma der Hauptdarstellerin. Aber alleine darauf will sich der Film nicht verlassen. Und nutzt einen genauso cleveren wie manipulativen Schachzug, um den Zuschauer auf Bridgets Seite zu ziehen: Mitleid.
Sympathie durch Mitleid
Eine verbal inkontinente alte Jungfer, die sich anzieht wie ihre Mutter. Dieses vernichtende Urteil fällt Mark über Bridget. Eigentlich erzählt er das nur seiner Mutter. Nur leider hört Bridget im Hintergrund mit. Und ist tief getroffen. Genauso wie der Zuschauer, denn wie man sich hierbei fühlt kann jeder gut nachvollziehen. Natürlich, dieser Moment kommt ein wenig konstruiert daher und erinnert an eine billige Soap. Aber er funktioniert eben. Mitleid ist eine der stärksten menschlichen Emotionen und das macht der Film sich hier konsequent zu Nutze. Spätestens jetzt ist man als Zuschauer auf Bridgets Seite. Und empfindet, genauso wie die Hauptfigur, so etwas wie Trotz. Dem zeigst du es, Mädel.
Diesen traumatischen Tiefpunkt haben also das Publikum und die Hauptfigur gebraucht. Und es ist die ideale Vorlage, um nun in die eigentliche Geschichte einzusteigen. Und so übernimmt wieder unser Voice-Over und Bridget erklärt, dass nun wirklich Schluss mit Lustig ist. Nein, sie wird nicht als alte Jungfer sterben. Sondern ab jetzt Gas geben und ihren Mann fürs Leben finden. Damit gibt die Figur die klare Ansage, was den Zuschauer in den nächsten beiden Stunden erwarten wird. Und der steht, dank taktisch cleverer (ok, auch ein bisschen sehr manipulativer) Charaktereinführung, bereitwillig an ihrer Seite.