Film

Dr. Alan Grant – Jurassic Park

Kinder lieben Zoos. Und Dinosaurier. Wenn man beides kombiniert entdecken Kinder aber eine noch größere Liebe: stabile Gitterstäbe. Wurde im Paläontologie-Studium nicht auf alles gut vorbereitet: Dr. Alan Grant.

Jurassic Park (1993) – Die Story

Drehbuch: Michael Crichton, David Koepp
Der Paläontologie Dr. Alan Grant (Sam Neill) und seine Kollegin Dr. Sattler werden vom Multimillionär John Hammond auf eine Pazifikinsel eingeladen. Gute Gelegenheit zum Entspannen. Wenn da nicht in der Nachbarschaft durch Gentechnik erschaffene Dinosauriern leben würden. Grant darf sich als Fachmann ein Bild von der Lage machen, bevor Hammond seine neue Touristenattraktion „Jurassic Park“ eröffnet. Scheint aber alles bestens zu sein, solange die Sicherheitszäune unter Strom stehen. Und es wird doch sicher keiner…

 

Die Einführung von Dr. Alan Grant

In der Wüste von Montana arbeitet Dr. Alan Grant zusammen mit seiner Kollegin/Freundin Dr. Sattler an der Freilegung von Dinosaurierknochen. Leidenschaftlich erklärt Grant hierbei seinem Team, was diese Tiere so faszinierend macht. Und, nach dem ein Junge einen Velociraptor als harmloses Tierchen abkanzelt, was auch so gefährlich. Kurz darauf landet ein Helikopter. Der Pilot macht Grant darauf aufmerksam, dass in dessen Wohnwagen ein Gast auf ihn wartet. Es ist Grants Sponsor Dr. Hammond, der Grant und Sattler bittet, doch eine kleine Inspektion seines neuesten Projektes auf einer Insel im Pazifik vorzunehmen. Die Einladung für einen Wochenendtrip schlägt Grant erst aus. Doch Hammond läßt nicht locker und bietet eine langjährige Finanzierung von Grants Arbeit an. Gut, wenn das so ist…

Die Analyse

Man kann hochkomplexe Figuren zeichnen. Oder einfach mit einem dicken Pinsel zwei bis drei markante Eigenschaften über den Charakter streichen. Für den Blockbusterbereich oft das bewährtere Mittel. Man will ja den Zuschauer nicht zu stark verwirren. Liebender Familienvater, tougher Marine-Soldat oder witziger Verliertyp – solche „einfachen“ Charaktere müssen aber ja nicht unbedingt etwas schlechtes sein. Mit einer großen Portion Sympathie und einer packenden Story kann auch so ein simpler Anker wunderbar funktionieren. Womit wir zu „Jurassic Park“ kommen und der Figurenkategorie „nerdig-traditioneller Paläontologe“. Und einer Einführung, die sich auf ein paar wenige Charakterbausteine fokussiert und diese gleich mehrmals dem Zuschauer ins Gedächtnis hämmert.

Wie unsere Hauptfigur genau tickt, wird uns schon vor deren erstem Auftritt angeteasert. Was wir ja in diesem Blog schon oft als ein genauso probates wie beliebtes Mittel zur Charaktereinführung ausgemacht haben. Nach dem wir zu Beginn einem tödlichen Saurierangriff im noch nicht eröffneten Park beigewohnt haben, begleiten wir den Anwalt Gennaro auf seinem Trip in den Dschungel der Dominikanischen Republik. Eigentlich ist Gennaro auf der Suche nach seinem Boss Dr. Hammond, klagt aufgrund dessen Abwesenheit dann aber dem örtlichen Ausgrabungsleiter Rostagno sein Leid. Und genau dabei fällt zum ersten Mal der Name unseres Protagonisten: Dr. Alan Grant.

My precious – Rostagno ist, wie Grant, verliebt in seine Arbeit (Foto: ©Universal Pictures Germany GmbH).

Charakteraufbau auf Umwegen
Und los geht es dann mit der passiven Charaktereinführung. Gennaro ist auf der Suche nach Experten, denn die Investoren des Parks bestehen auf einer sauberen Inspektion. Er teilt Rostagno mit, dass man zwar schon einen Experten gefunden hätte, der den Investoren aber zu modern sei. Diese forderten die Expertise von einem gewissen Dr. Grant. Die Reaktion von Rostagno: ein dickes Grinsen. Und weiterer Charakteraufbau der nicht anwesenden Hauptfigur. Grant bekommt ihr für so eine Inspektion nie, da ist sich Rostagno sicher. Schließlich, so teilt er Gennaro mit, sei Grant ein „Ausgräber“ – genau wie er.

Die Message für das Publikum? Im Hinblick auf Dr. Alan Grant dürfen wir mit einem Experten für Paläontologie rechnen– und zwar einem der alten Schule. Das ist aber noch nicht alles. Geschickt nutzt man Rostagno hier als eine Art Stellvertreter von unserem guten Alan, um noch einen weiteren Charakterzug der Figur aufzuzeigen. Nachdem Rostagno Dr. Grant sozusagen als Bruder im Geiste beschrieben hat, widmet er sich einem in Bernstein versteinertem Moskito. Und strahlt dabei wie ein kleines Kind. Ein Hinweis darauf, mit wieviel Liebe wohl auch der gute Alan an seine Arbeit geht. Und das man ihn, was bereits ja vorher schon angeklungen ist, wohl nur schwerlich von dessen beruflicher Obsession trennen kann.

Sind wir schon drin? Moderne Technik ist nicht gerade Dr. Grants Steckenpferd (Foto: ©Universal Pictures Germany GmbH).

Eine Figur der alten Schule
Im Wesentlichen haben wir bereits jetzt schon die wichtigsten Eigenschaften der Figur erfahren. Ganz ehrlich, viel mehr kommt jetzt eigentlich nicht mehr. Denn in den nächsten Minuten werden genau diese Punkte nun immer und immer wieder wiederholt. Los geht es dabei mit Alans Faszination für und Hingabe zur eigenen Arbeit. Der erste Auftritt von ihm zeigt ihn beim sorgfältigen Freilegen eines Saurierskeletts. Und mit seinem ersten Satz unterstreicht er dann gleich auch die bereits getätigte Aussage, dass er als weniger modern gilt. Als er zu einer Computer-Vermessung eines Skelettes gerufen wird, kommentiert er das nämlich stöhnend mit „I hate computers“.

In dem Tenor geht es dann auch weiter. Dr. Grant darf brav den hochmotivierten aber von der Zeit dann doch etwas überholten Paläontologie-Nerd geben. Beispiele gefällig? Der Computeranalyst merkt angesichts der rasanten technischen Entwicklung an, dass man bald wohl gar nicht mehr selbst graben müsste. „Wo bleibt denn da der Spaß“, meint Alan. Die Abneigung gegen Computer zeigt sich dann auch physisch. Als Alan den Computermonitor anfasst sorgt er für einen Bildausfall. Und da man lieber auf Nummer sicher geht, wird dieser Moment auch gleich noch mehrmals kommentiert. Sowohl seine Partnerin Ellie als auch Grant selbst merken an, dass die Antipathie zur modernen Technik Grant wohl im Blut liegt. Subtil geht anders, aber die Botschaft kommt an.

Einmal Dinosaurierwissen bitte. Dr. Grant liebt seinen Job (Foto: ©Universal Pictures Germany GmbH).

Leidenschaft ohne Grenzen
Parallel zur Technologie-Skepsis wird aber auch noch ein zweiter Charakterzug Grants weiter herausgearbeitet: die Liebe für den Job. Mit strahlenden Augen hält er als nächstes eine Rede vor dem Ausgrabungsteam, wie faszinierend diese Saurier doch wären und welche Ähnlichkeiten sie mit den heutigen Vögeln aufweisen würden. Dr. Alan Grant – Experte mit Leidenschaft. Wie extrem diese Leidenschaft ist, wird dann am Beispiel eines aufmüpfigen Kindes verdeutlicht. Das macht den Fehler, den guten alten Velociraptor als größeren Truthahn zu bezeichnen. Keine gute Idee. Woraufhin ihm Alan eine genauso eindrückliche wie leidenschaftliche Lehrstunde erteilt.

Nein, es ist nicht gerade eine pädagogische Sternstunde, der wir hier nun beiwohnen. Das merken wir spätestens, als Alan eine Dinokralle auspackt. Und dem kleinen Frechdachs sehr anschaulich verdeutlicht, wie der Velociraptor dessen Bauch aufschlitzen würde. Während er auch noch über herausquellende Eingeweide philosophiert. Da fehlt es dann doch deutlich an sozialem Feingefühl und so rückt Alan spätestens jetzt immer weiter in die Ecke des Nerds. Das mag nun für die Charakterisierung der Figur ein sehr eindrückliches Mittel sein, aber tut das der Figur auch gut? Man werfe hier nur mal das Stichwort Empathie des Publikums in den Raum.

Den Mann hätten wir gerne an der Pädagogischen Hochschule erlebt. Dr. Grant und seine Vorstellung von praxisnahem Unterricht (Foto: ©Universal Pictures Germany GmbH).

Sympathie muss sein
Nun sind wir immer noch in einem Steven Spielberg Film und Mann weiß nur zu gut, wie wichtig gerade bei dieser Zielgruppe eine sympathische Hauptfigur ist. Und so wird die sehr drastische Predigt von Alan über mehrere Wege in ihrer Wirkung abgeschwächt. Neben dem dann doch etwas verschmitzten Grinsen von Darsteller Sam Neill ist das vor allem die Reaktion seiner Freundin Ellie. Ihre süffisanten Kommentare mögen auf den ersten Blick nebensächlich wirken, sind aber in dieser Szene verdammt wichtig. Als Alan sich dem Kind nähert dackelt sie grinsend hinterher. „Jetzt gehts los“ bemerkt sie sichtlich erheitert. Und auch während Alans martialischer Aufklärung schneidet die Kamera auf ihr grinsendes Gesicht und läßt sie das Ganze noch mal humorvoll kommentieren. Und genau dadurch raubt sie der Szene die Schärfe, welche Alan eventuell in ein unsympathisches Licht hätte rücken können.

Im Anschluß folgt dann auch noch ein entspanntes und humorvolles Einzelgespräch mit Alan, wo beide die Szene davor als Anlass für eine kleine Diskussion über Kinder nehmen. Auch hier erleben wir Alan wieder in seinem typisch nerdigen Charaktermodus. Mit Kindern kann er eben nichts anfangen. Aber auch hier wird dank dem Humor in der Konversation, alles wieder soweit relativiert, dass man die Figur eben trotzdem gern haben kann. Charakteraufbau, bei dem zwar mit vielen Ecken und Kanten gearbeitet wird, die aber immer wieder ein bisschen abgeschliffen werden. Soll sich ja keiner an dieser Figur „schneiden“.

Jetzt wird gefeiert. Dr. Hammond gibt einen aus (Foto: ©Universal Pictures Germany GmbH).

Figureneinführung mit Fokus
Das Publikum ist also an Bord und unsere Hauptfigur kann nun auf ihre Mission geschickt werden. Das Gespräch mit Dr. Hammond im Campervan wird nun aber ebenfalls dazu genutzt, die bereits bekannten Charaktereigenschaften von Alan noch weiter zu verstärken. Einmal mit der Hilfe von Kontrast. Auf der einen Seite: der gut gekleidete Dr. Hammond in Feierlaune. Auf der anderen Seite: unser bodenständiger, die Ärmel hochgekrempelt und mit Schmutz bedeckte Paläontologe. Dazu wird Grant noch einmal als Experte gepriesen, ein kleiner Kindergag spielt noch einmal auf sein nerdiges Verhalten an und natürlich sagt er zu Hammonds Angebot erst zu, als dieser ihm verspricht seine vielgeliebte Arbeit für weitere drei Jahre zu sponsern. Und wenn dann Alan und Ellie sich angesichts des Deals wie kleine Kinder freudig in die Arme fallen, wird auch wieder eifrig an der Empathieschraube gedreht.

So fokussiert man sich also bei der Einführung von Alan auf ein paar wenige Charakterzüge und achtet gleichzeitig penibel darauf, dass diese den Sympathiefaktor der Figur bloß nicht beschädigen. Gerade dieses Wechselspiel aus extremem Nerd und sympathischem Zeitgenossen ist spannend zu beobachten. Auch wenn komplexer Figurenaufbau natürlich anders aussieht. Am Ende hat man als Zuschauer aber eben doch einfach Lust den Jungen bei seinem Abenteuer zu begleiten. Und das ist nun mal das wichtigste Ziel einer jeden Einführung. Na dann, auf nach „Jurassic Park“…

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