Serie

Takeshi Kovacs – Altered Carbon

Netflix hat die alten Sets von Blade Runner gefunden und sich an den Stallone Streifen “Demolition Man“ erinnert. Das Ergebnis: Der einstige Elite-Soldat Takeshi Kovacs darf in einem neuen Körper nun Colombo spielen.

Altered Carbon (seit 2018) – Die Story

Drehbuch Episode 1: Laeta Kalogridis
In einer dystopischen Welt im 24. Jahrhundert wird der ehemalige Elite-Soldat und einst als Terrorist verurteilte Takeshi Kovacs (in seiner früheren Inkarnation dargestellt von Will Yun Lee, später dann Joel Kinnaman) nach über 250 Jahren Tiefschlaf aus dem Gefängnis geholt. Im Auftrag des reichen Industriellen Laurens Bancroft bekommt Takeshi einen neuen Körper spendiert, soll dafür aber im Gegenzug für Bancroft ein etwas verzwicktes Verbrechen aufklären.

 

Die Einführung von Takeshi Kovacs

Etwas verzwickt ist es auch den ersten Auftritt von Kovacs in der Premierenfolge zu beschreiben. Er hat nämlich irgendwie zwei. Die erste Episode startet, nach stimmungsvollem Vorspann, direkt mit einem leblosen muskulösen Körper, der im Wasser treibt. Es ist Kovacs (hier mit dem Körper eines weißen Mannes ausgestattet), der eine Art Atemmaske trägt, an der ein langer Schlauch hängt. Das Bild weckt nicht von ungefähr Erinnerungen an ein Baby im Mutterbauch, das durch die Nabelschnur am Leben gehalten wird. Was nun folgt ist nämlich eine Parallelmontage, die zwischen zwei Zeitebenen (sozusagen Tod und Wiedergeburt) hin und her springt.

Im „hier und jetzt“ wird die aktuelle Version von Kovacs in einer Art Labor aus dem Tiefschlaf geholt – eine Prozedur, gegen die sich dieser aber mit Händen und Füßen wehrt. Der Grund dafür: Kovacs Geist durchlebt gerade noch einmal das brutale Ende seines alten Lebens. In dieser Zeitebene, die uns parallel dazu gezeigt wird, ist Kovacs mit einem asiatischen Körper ausgestattet und steht mit einer Frau unter der Dusche – beide waschen sich gerade gegenseitig ihre mit Blut übersäten Körper. Nach einem kleinen Schäferstündchen werden sie aber in ihrem Apartment von einer Gruppe High-Tech Soldaten, unter der Führung des skrupellosen Soldaten Jäger, überrascht. Es folgt eine wilde Schießerei, in der Kovacs schließlich vorläufig “aus dem Verkehr“ gezogen wird, während seine weibliche Begleitung für immer das Zeitliche segnet.

Wiedergeburt – Kovacs erwartet ein neues Leben. (Foto: ©Netflix)

Analyse: Mit Coolness ins neue Jahrhundert

Es ist an der Zeit mal mit ein paar Vorurteilen aufzuräumen. Nein, hier werden nicht nur alte Klassiker der Film- und Serienlandschaft besprochen. Und nein, nicht jede Einführung muss ein Meisterwerk an subtiler Charakterzeichnung sein, um hier auf meinem Seziertisch zu landen. Vorhang auf für die aktuelle Netflix Eigenproduktion „Altered Carbon“.

Die Einführung von Takeshi Kovacs bietet uns hierbei jede Menge optischer Schauwerte und noch viel mehr Informationen, die der Zuschauer erst einmal verarbeiten und zuordnen muss. Eines können wir vorwegnehmen, richtig viel über das Innere der Hauptfigur erfahren wir dabei nicht. Das muss aber natürlich nicht automatisch etwas Schlechtes sein.

Dabei wirkt es auf den ersten Blick ja schon wie eine sehr komplexe Figureneinführung, was uns „Altered Carbon“ hier bietet. Und ist es natürlich in gewisser Hinsicht auch. Nicht nur, dass wir hier zwischen zwei Zeitebenen hin und her springen, es gesellt sich sogar noch kurzzeitig eine dritte hinzu, da die asiatische Inkarnation von Kovacs wiederum auch noch mal einen kurzen Flashback von ihrem früheren Leben durchlebt. Da muss man als Zuschauer erst einmal Schritt halten.

Ruhe vor dem Sturm – noch genießt Kovacs die Früchte seiner Arbeit. (Foto: ©Netflix)

Wenn man aber einmal das ganze visuelle und inhaltliche Feuerwerk ignoriert und die Figur isoliert betrachtet, gibt es eigentlich nur eine Charaktereigenschaft, die hier deutlich vermittelt wird: Takeshi Kovacs ist eine coole Sau.

Was wir dagegen in Massen bekommen sind Hintergrundinformationen. Besser gesagt eine Ansammlung von vielen Story-Puzzleteilen, die den Zuschauer zum Grübeln bringen und Lust auf mehr machen sollen. Der Protagonist und die Handlung also als Geheimnis, welches der Zuschauer nun Stück für Stück aufdecken soll. Weiter verstärkt wird dieser Effekt natürlich durch die Entscheidung, die verschiedenen Zeitebenen innerhalb einer Parallelmontage miteinander zu verschachteln. Nach der Wassersequenz am Anfang folgt dann noch auch gleich der Hinweis via Off-Stimme, dass hier sowieso „Nichts so ist wie es scheint“. Ein im Film- und Serienbereich doch schon deutlich überstrapazierter Satz, der auch schon zum Standardrepertoire vieler Trailer gehört, und hier die Neugier des Zuschauers noch weiter anheizen soll.

Klar wird auf jeden Fall, dass Kovacs von seiner Vergangenheit verfolgt wird. Von dieser bekommen wir hier aber nur Ausschnitte serviert, die uns nicht wirklich viel über die Figur verraten, sondern eher als kleine Teaser gedacht sind. Der nachdenklich im Bett liegende Kovacs, erinnert sich so erst einmal an ein intensives Liebesabenteuer aus seiner Vergangenheit. Doch es wird schnell deutlich, dass wir es hier nicht mit einem Sensibelchen zu tun haben. Als sich seine Begleitung wundert, wen sie beide denn bei ihrem letzten Auftrag auf ihrem Gewissen hätten, antwortet Kovacs nur: „Who cares, we are getting paid“.

Kurz darauf wird deutlich, dass dieser abgebrühte Auftragskiller über erstaunliche Fähigkeiten verfügt und die Anwesenheit einer anrückende Polizeitruppe selbst durch Wände erkennen kann. Was dann folgt ist eine Schießerei, bei der Kovacs ganz klassisch die coole Sau gibt und einen Großteil der Angreifer außer Gefecht setzt. Und es folgt ein bewährter Trick, um das Band zwischen Zuschauer und Hauptfigur zu stärken. Der nun folgende brutale Mord an Kovacs Begleitung, durch den skrupellosen Jäger, dient vor allem einem Zweck: Sympathiepunkte für Kovacs zu sammeln. Man nehme einfach eine noch skrupellosere Figur und schon steht auf einmal auch der unsympathischste Held in einem ganz neuen Licht da.

Parallel dazu wird uns das Aufwachen von Kovacs nach 250 Jahren Tiefschlaf präsentiert. Auch hier ist das Motto deutlich: der Zuschauer bekommt einen genauso toughen wie coolen Typen präsentiert. Die Feststellung der Ärzte, dass Kovacs ja erst mal keine Gefahr wäre, da nach dem Aufwachvorgang niemand über viel Kraft verfügen würde, straft dieser gleich einmal Lügen, als er mehrere der Betreuer außer Gefecht setzt. Und nach kurzer Desorientierung hat sich Kovacs auch schon so weit gefangen, dass er gleich mal einen kessen Spruch auf den Lippen hat.

Diesen Mann hätte man sanfter wecken sollen – Kovacs dreht durch (Foto: ©Netflix)

Es wird in beiden Zeitebenen deutlich – hier ist ein Mann, der sich so leicht nichts sagen läßt. Wobei man sich von der Charakterzeichnung fast ein bisschen zurück in das Action-Kino der 80er Jahre versetzt fühlt. War aber ja nicht alles besser früher.

Bei all der Kritik muss man aber natürlich trotzdem konstatieren, dass die Einführung der Figur durchaus ordentlich funktioniert. Da kommt der Folge ein wenig das eigene Szenario zur Hilfe. Im Englischen beschreibt man das gerne als das sogenannte „Fish-out-of-Water“-Prinzip. Damit ist gemeint, dass eine Figur in eine komplett neue Welt geworfen wird und dadurch nicht mehr in ihrem Element ist. Da diese Welt hier aber ja auch für den Zuschauer sehr fremdartig ist, gehen wir sozusagen Hand in Hand mit Kovacs auf Entdeckungsreise – das schweißt natürlich zusammen.

Es ist insgesamt aber schon eher eine grobe Charakterzeichnung, die wir hier geliefert bekommen. Kompensiert wird dies durch den extremen Informationsinput und das rasante Tempo. Trotzdem kommt die Figur hier ein klein wenig zu glatt und cool herüber. „Altered Carbon“ lebt definitiv stärker von seiner Geschichte und dem faszinierenden Setting, als von einer mitreißend-komplexen Charakterzeichnung der Hauptfigur. Was aber ja nicht bedeutet, dass man mit der Serie trotzdem nicht seinen Spaß haben könnte…

 

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